Herausforderung Krankheit

Einst hielt ich mich für kerngesund. Doch meine Frauenärztin entdeckte mit dem Ultraschall drei verdächtige Knoten. Recht schnell musste ich eine Mammographie machen lassen, die Aufnahme ergab zwei gutartige und einen verdächtigen Befund. Dann eine zweite Aufnahme, schließlich sollte eine Biopsie gemacht werden. Wartezeit, Unsicherheit und ganz neue Herausforderungen für mich.

 

Nach sechs Tagen, in denen ich mich so gut es ging ablenkte, kommt das Ergebnis der Biopsie: nicht gutartig. Ich bin nur noch wenig überrascht. Und doch bleibt mir einen Moment lang das Herz stehen. Alsbald suche ich nach hoffnungsvollen Informationen: der Tumor ist klein, wächst langsam und ist nur gering bösartig. Jetzt soll baldmöglichst operiert werden.  Es hilft mir sehr, mich sorgfältig um alles zu kümmern. Die beste Klinik finden, OP-Termin, Vorgespräche, Telefonate und Besprechungstermine. Alle Informationen einholen, die ich greifen kann. Es tut gut zu wissen, wie es jetzt erstmal weitergeht und dass geliebte Menschen an meiner Seite sind.

 

Zum ersten Mal kommt mir jetzt der Gedanke, dass diese Herausforderung mein Leben für immer verändern kann. Ich sammle Kräfte. In drei Tagen ist meine OP. Heute war ich im Krankenhaus zu Voruntersuchungen, Vorgesprächen, Unterschriften. Die Operateurin erklärte mir nochmals genau, was für einen Tumor ich habe, dass ich keine Chemo brauche, aber Bestrahlung und eine Antihormontherapie. Darüber lese ich alles und weiß, dass es Nebenwirkungen gibt und ich Wechseljahresbeschwerden bekommen kann. Allerdings sind das relative Peanuts im Vergleich zu  Schlimmerem, das dadurch so gut wie sicher verhindert wird.

Auf dem Rückweg treffe ich eine langjährige Freundin, der ich mich sofort anvertraue. Sie reagiert unvermittelt mit einem aufgeregten Plädoyer gegen die Schulmedizin. Doch das kann ich jetzt gar nicht gebrauchen. Nachdem ich von neuen Studien gelesen habe und den Ärztinnen vertraue, werde ich es so machen wie vorgenommen. Eine Stunde später klingelt es und die Freundin steht mit blühenden Wundern aus ihrem Garten da, bittet um Verzeihung. Dafür bin ich sehr dankbar und wir müssen beide fast weinen. 

 

„Ich entspanne mich.“ Dieser eindrückliche Satz meines hochbetagten Vaters ist der schönste Gedanke, den ich momentan zu fassen kriege. Die Erlaubnis, dass mein Leben ein wenig aus den Fugen geraten darf und ich es als Forschungsprojekt und Entspannungsmöglichkeit sehe, wirft ein weicheres Licht auf die Herausforderung.

 

Die OP verlief gut, der Tumor war nur lokal und konnte restlos entfernt werden. Der weitere Weg entstand unter meinen Füßen: Tägliche Spaziergänge waren das beste Heilmittel gegen körperliche und seelische Schwankungen. Mikronährstoffe wie hochdosiertes Vitaminen C und Selen sowie polyphenolhaltige Lebensmittel stärkten meinen Körper. Ein fürsorglicher Blick auf mich selbst wurde zu meiner täglichen Praxis.

 

Dabei wurde mir wieder klar: es gibt immer einen Teil in mir, der vollkommen unbeschädigt ist. Das Leben schenkte mir oft wertvolle, manchmal unangenehme Gelegenheiten, um mich daran zu erinnern. Ein gesunder heller Kern. Und jetzt gerade, ich spürte es, öffnete sich wieder der Schleier.

 

Lydia Poppe

 

 

Bild zur Meldung: © Ulrike Leone auf Pixabay