Winterschlaf - die schöpferische Kraft des Rückzugs

Der Sommer und die Wärme sind maximal weit entfernt, die kalte Dunkelheit hat uns fest im Griff. Hier auf der Nordhalbkugel ist es Zeit, das Licht im Innenraum zu suchen. Die einen montieren Lichterketten und Leuchtsterne und trinken Glühwein. Manche haben Schwierigkeiten, aus dem Bett zu kommen, haben vielleicht sogar den Winterblues und ziehen sich die Decke einmal mehr über den Kopf. Denn im Dunkeln schüttet die Zirbeldrüse vermehrt Melatonin, das Schlafhormon aus.

Im „circannualen Rhythmus“ ist Zeit für den Winterschlaf. Wie bei den Fledermäusen, Siebenschläfern, Haselmäusen und anderen Arten. So ein Retreat, ein bewusster Rückzug tut auch uns Menschen gut - anstatt nur in den Jahresendstress und Konsumrausch zu verfallen. Die Natur macht es uns vor. Sie hat alles Vergängliche abgeworfen, ihre Säfte nach innen gezogen, die Knospen warten unter einer schützenden Hülle auf das nächste Frühjahr. Einige Tiere tragen ihren Nachwuchs über den Winter aus. Zeit der inneren Reifung, des Sortierens, Zeit, Altes endgültig abzustoßen und neuen Humus zu bilden.

 

Die Natur praktiziert Shavasana - so nennt sich die tiefe Entspannungshaltung im Yoga, am Ende der Stunde. Diese “Totenhaltung”, bei der wir flach am Boden liegen und alle Spannung an die Erde abgeben. Wir geben ab, machen uns leer und öffnen uns damit für das Neue, schaffen Raum dafür, dass neue Pflänzchen keimen können.

 

Und so lang du das nicht hast,

Dieses: Stirb und werde!

Bist du nur ein trüber Gast

Auf der dunklen Erde.

(aus Goethe, Selige Sehnsucht)


 

Auch wenn wir nicht die Möglichkeit haben, uns ganz aus den Anforderungen unseres beruflichen und familiären Lebens zurückzuziehen, können wir uns vielleicht die ein oder andere Stunde an einem stillen Ort mit dem Gewesenen und dem Kommenden beschäftigen. Was sonst unter die Räder des Tagesgeschäfts kommt – dafür ist in den „Rauhnächten“ zwischen den Jahren die ideale Zeit.
 

Bilanz ziehen, sortieren, kreieren

1. Was habe ich in diesem Jahr erreicht, wofür kann ich mich selbst anerkennen und wertschätzen, persönlich und beruflich?
 

2. Welchen Menschen bin ich dankbar?
 

3. Welche Beziehungen sind mir wichtig und welche will ich weiter pflegen?
 

4. Was war enttäuschend für mich und was habe ich aus dieser Enttäuschung gelernt?
 

5. Welchen Bedürfnissen und Aktivitäten möchte ich mehr Raum geben? 
 

6. Für welche Veränderungen bin ich offen?

 

Es macht einen Unterschied, sich konkret mit diesen Fragen zu beschäftigen. Eine aktive, wertschätzende Haltung dem Leben gegenüber einzunehmen und mit dieser Haltung in das Neue Jahr zu gehen. Wenn wir schon keinen Winterschlaf wie die Haselmaus halten können.

 

Andreas Fiedler 

 

 

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Texte von Andreas Fiedler

 

 

Bild zur Meldung: © NakNakNak auf Pixabay