Komm spielen!

Der Ernst des Lebens beginnt in der Schule. Schluss mit lustig. Du hast dich anzupassen und die Dinge richtig zu machen. Fehler führen zur Abwertung. Spielen ist den kleinen Kindern vorbehalten, denn es trägt nichts zum Überleben bei, ist daher Zeitverschwendung. Das ist in etwa der kulturelle Kontext, in dem viele von uns aufgewachsen sind. - Wie begrenzend. 

 

“Der Mensch ist nur dort ganz Mensch, wo er spielt.” 

Friedrich Schiller

 

Wir tragen  so viele Facetten in uns und haben uns doch nur auf einige wenige Rollen festgelegt. - Im Laufe unseres Lebens entwickelten  wir eine Persönlichkeit, eine Identität, die uns eine gewisse Sicherheit gibt und Zugehörigkeit zu unserem “Stamm” ermöglicht. Innerhalb der Grenzen unserer Identität priorisieren wir automatisch bestimmte Verhaltensweisen, die definieren, was möglich, machbar und sozial akzeptiert ist. Für diese Verhaltensweisen gibt es zahlreiche Typisierungen und Modelle wie das Enneagramm, DISG, Big Five, Reiss-Profile, Voice Dialogue, die 7 Kellerkinder von Johannes Galli u.a.m. Sie geben uns Orientierung bei der Antwort auf Fragen wie: Wer bin ich? Was unterscheidet mich von anderen? Wie reagiere ich auf Herausforderungen? Wie bin ich in Beziehung? 

 

Diese Selbsterkenntnis ist hilfreich, um sich auf seine Qualitäten zu besinnen - auch um Entwicklungsfelder zu definieren. Wie ist es, wenn ich als introvertierter Typ lerne, aus mir herauszugehen? Welche Lebensqualität eröffnet sich für mich, wenn ich als helfende Persönlichkeit mich mehr um mich selbst kümmere? Was passiert, wenn ich als Kontrollfreak meine wilde Natur entfessle? Wenn ich dem Clown in mir, dem Narren (Archetyp), der sich selbst nicht zu ernst nimmt, mehr Raum in mir gebe?


 

“Das Leben ist eine Tragödie in der Nahaufnahme, aber eine Komödie von weitem betrachtet.” Charlie Chaplin

 

All die “Typen” lassen sich spielerisch erkunden. Zum Beispiel im Schauspiel! In verschiedene Rollen zu schlüpfen und dadurch flexibler zu werden, ist wie Yoga für die Persönlichkeit, bringt mehr Leichtigkeit, Freude und Kreativität. Das Improtheater im Besonderen fördert die Clownsqualitäten in uns. “Heiter scheitern”: Ich darf voll daneben liegen, durch die Peinlichkeit hindurchgehen und schließlich sogar Spaß haben. Ein staunendes “Ahhh!” und “Ohhh!” zu allem hören  - statt “oh nein, das darf nicht sein”.

 

Durch das spielerische Erkunden kommen wir in Kontakt mit inneren Anteilen, unseren “Kellerkindern” die bisher ein Schattendasein führen mussten. Möglicherweise wurden sie so weit abgespalten, dass wir sie gar nicht mit uns selbst in Verbindung bringen können. Sondern nur im Außen, bei anderen wahrnehmen. Und sie dann oft als unerwünscht ablehnen: “So bin ich nicht!” Doch, so bin ich auch. Und wenn ich diese Anteile gut integriere, dann erweitere ich mein Spektrum an Handlungsmöglichkeiten.

„Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird!“ 

Ethischer Imperativ von Heinz von Förster

 

Im spielerischen, erforschenden Zugang zu neuen Aspekten des Selbst liegt ein großes Potenzial an Freiheit. Die Freiheit zu sein. Noch mehr ganz ich selbst zu sein. Ganz Mensch zu sein (s.o.), emanzipiert von den Konditionierungen der Vergangenheit. Mich ganz auf das Leben, seine Schönheit und Vielfalt einlassen. Vielleicht sind Schauspieler auch deshalb so prominent.


Andreas Fiedler, Business- und Potenzialcoach, Autor und Redakteur der Potsdamer Impulse

 

 

Bild zur Meldung: Jürgen Grunau auf Pixabay