Die Lage ist ernst, aber…
Angesichts der zunehmenden Krisen ist die Versuchung groß, dass wir uns in einem permanenten Gefühl der Bedrohung verlieren. Eine Katastrophenmeldung nach der anderen fordert uns heraus, den Glauben an eine lebenswerte Zukunft nicht zu verlieren. Hinzu kommt die mediale Verstärkung des Worst-Case-Denkens: Nachrichten fokussieren sich oft auf die schlimmsten möglichen Entwicklungen – Atomkrieg, Wirtschaftskrise und Klimakatastrophe.. Das bringt mehr Aufmerksamkeit. Und dadurch verstärkt sich der Eindruck, dass wir in einer existenziellen Dauerkrise leben.
Fakt ist, dass Dinge sich verändern - ständig. Das Klima, die wirtschaftliche und geopolitische Lage, das Leben ist in ständiger Bewegung und ja, nicht immer entspricht die Richtung unseren Wünschen. Wir in Deutschland haben dabei offenbar eine besondere Beziehung zur Krise – nicht umsonst gibt es den Begriff der Begriff German Angst - die Tendenz, Risiken besonders stark wahrzunehmen und eher in die Defensive zu gehen. Bloß keine Risiken – sei es in der Gesundheits- oder Außenpolitik, der Wirtschaft oder der Energieversorgung. Veränderungen werden oft mit großer Vorsicht und starken Beharrungskräften konfrontiert. Vielleicht eine Spätfolge des kollektiven Kriegstraumas.
Petra Bock nennt diese Mentalität “Katastrophen-Mindfunk”. Dieser basiert auf der inneren Überzeugung, dass jederzeit etwas Schlimmes passieren könnte, und führt dazu, dass Menschen sich ständig Sorgen machen und in Angst leben – oft ohne realen Anlass.
Da Angst zudem ein effektives Herrschaftsmittel ist, wird damit auch Politik gemacht. Zum Beispiel mit der Angst vor Fremden (Xenophobie).
Interessanterweise ist diese am größten, wo der migrantische Anteil in der Bevölkerung am niedrigsten ist. Oder mit der Angst vor dem Krieg. Indem ein äußeres Feindbild aufgebaut wird, lassen sich Verantwortungsdefizite im Inneren überblenden. Ein beliebtes Mittel zur Erhaltung und Zentralisierung von Macht. bzw. zur Entmachtung des Einzelnen.
Und so bringt uns das Katastrophen-Mindset in eine Position der Ohnmacht. Wir werden defensiv, versuchen uns nach allen Richtungen abzusichern, sehen nur noch wenig Chancen und verlieren unsere Kreativität.
“Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.”
Friedrich Hölderlin, Patmos
Die Lage ist ernst, aber… Es gehören immer zwei dazu: einer, der dominiert und einer, der sich dominieren lässt. Diese Einsicht ist vielleicht der erste Schritt heraus aus der Defensive.
Drei Dinge scheinen mir dafür am wichtigsten:
1. Die eigene Wahrnehmung bewusst lenken
Die Welt ist komplex, und oft sind Szenarien, die in den Medien betont werden, nicht die wahrscheinlichsten. Statt ausschließlich auf Krisen zu fokussieren, können wir auch positive Entwicklungen anerkennen, siehe Perspective Daily und “Im Grunde gut.”
Dazu gehört auch, die Wahrnehmung immer wieder ins Hier und Jetzt und weg von den kreisenden Gedanken zu bringen. Achtsamkeit als zentrale Ressource.
2. Selbstwirksamkeit stärken
Auch wenn man als Einzelner die Weltpolitik nicht unmittelbar beeinflussen kann, gibt es Handlungsmöglichkeiten: Sich informieren, demokratisch engagieren, gemeinschaftlich aktiv werden. Statt nur Angst vor der Zukunft zu haben, können wir uns fragen: Was kann ich konkret tun?
3. Vertrauen in die eigene Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit entwickeln
Die Welt war immer im Wandel und Menschen haben sich immer angepasst. Wenn wir uns bewusst machen, dass wir gerade in herausfordernden Situationen neue, kreative Lösungen finden, kommen wir zu mehr Gelassenheit. Das bedeutet nicht, Risiken zu ignorieren, sondern mit ihnen zu leben und die Zukunft aktiv zu gestalten.
Hoffnungsvoll.
Bild zur Meldung: Kevin Snyman auf Pixabay