Widerstand für das Leben
In diesen Tagen, da sich das Ende des 2. Weltkriegs und das Ende faschistischer Gewaltherrschaft in Deutschland zum 80. Mal jährt und wir nun “doch wieder” - statt “nie wieder” - den Aufstieg anti-demokratischer Kräfte sehen, bekommt der Begriff Widerstand eine besondere Brisanz.
Demokratiefreunde sehen lang geglaubte Gewissheiten ins Wanken kommen, sehen einen Backlash, in dem autoritäre und reaktionäre Strömungen mit Angst und Ausgrenzung Politik machen. Und damit in einem Maß Zustimmung gewinnen, das vor einigen Jahren undenkbar gewesen wäre. So ist für mich aus einem latenten, eher abstrakten Unbehagen über das autokratische, nationalistische “Great again”, in dem alle, die nicht zur ethnisch-kulturellen Mehrheit gehören, entrechtet, des Landes verwiesen oder sonst wie zum Verschwinden gebracht werden sollen, eine konkrete lebensrelevante Auseinandersetzung geworden.
Wogegen du kämpfst, verstärkt sich
Mit mir fühlen sich viele herausgefordert, erstmals eine klare Haltung einzunehmen, für ihre Werte einzustehen. Doch wann ist der Moment, in dem Widerstand “dran” ist. Wo ist die rote Linie? Und was bedeutet Widerstand konkret? Widerstand gegen oder Widerstand für? Das macht einen wesentlichen Unterschied, denn:
“What you resist, persists.” C.G. Jung
Das heißt, Energie folgt der Aufmerksamkeit und womit wir uns beschäftigen, das wird größer. Also ist eher die Frage, wo wollen wir hin, als wovon wollen wir weg.
Die Würde des Menschen
Mein Vorschlag: Beginnen wir mit der Menschenwürde. Der Grundwert für ein zivilisiertes Miteinander. “Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Das steht an erster Stelle in unserer Verfassung, in Artikel 1 des Grundgesetzes. Warum? Weil die Verfasser, sprich Mitglieder des parlamentarischen Rates der BRD im Jahr 1949, die zum Teil im Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime aktiv waren, das “Antasten” der Würde d.h. am Ende die Vernichtung von Millionen von Leben als nie dagewesenen Zivilisationsbruch erlebt und überlebt haben. Helmut Schmidt hat im Jahr 1978 in seiner Rede anlässlich des 40. Jahrestages der sog. "Reichspogromnacht" beeindruckend deutlich gemacht, was passiert, wenn wir erlauben, dass die Würde verletzt wird.
Wenn jemand oder etwas entwürdigt, also zum Objekt degradiert wird, dann kann „es“ beherrscht, ausgebeutet, unterdrückt, erniedrigt und sogar getötet werden. Ein Objekt ist mitunter schon alles, was nicht zum eigenen Clan gehört, oft werden also auch Menschen zum Objekt gemacht, d.h. zur Projektionsfläche für unsere Befindlichkeiten, zum Feind. Abgesehen von anderen Lebewesen, die zu Nutztieren degradiert werden. Oder die Natur als solche.
Darin liegt vielleicht der erste und wichtigste Schritt des Widerstandes für etwas. Wie ich in einem früheren Beitrag schrieb: Es gibt zwei grundsätzliche Arten von Beziehung, die wir mit anderen Lebewesen haben können. Wir erklären “es” zum Objekt “etwas Unwesentliches” - oder zum Subjekt - “jemand Wesentliches”.
Widerstand, im Sinne von Einstehen für den Wert des Lebens - die Würde aller Lebewesen. Natürlich uns selbst immer mitgemeint. Können wir uns darauf einigen?
Bild zur Meldung: Sang Hyun Cho auf pixabay.com