Sturkopp
Nein. Es geht nicht. Irgendwas in mir sträubt sich. Ich weiß nicht, was und warum, aber der Widerstand ist mächtig. Er übergeht jegliche Einwände und Aufforderungen meines Verstandes. Er lässt mich in Unverständnis und Frustration zusammensinken. Er ist stark, ohne dass ich jemals Kraft für ihn aufgewendet hätte.
Nach dem Studium wollte ich arbeiten, ganz normal, so wie alle anderen auch. Aber es ging nicht. Ich spürte, dass ich zu einem normalen Arbeitsleben nicht fähig war. Warum? Keine Ahnung. Zu viel Erschöpfung, zu viel Schmerz aus der Kindheit?! Mein innerer Widerstand stoppte meine Erwartungen und Hoffnungen an mich selbst. Noch wusste ich noch nichts von Hochsensibilität und Underachiever.
Freunde luden mich zu einer Therapiegruppe ein. Das klang spannend und ich war im Kreise meiner Menschen. Das war wichtig. Die Therapie selbst, weit entfernt von der Mainstream-Psychologie, eröffnete mir mit unbekanntem Wissen aus spirituellen Quellen eine neue, heilsame Welt. Ich war naiv und seltsam bereit. Aber da war noch mehr: das Gefühl, hier inhaltlich und seelisch Heimat gefunden zu haben.
Hier gab es keine Widerstände in mir, eher das Gegenteil. Freudig, neugierig stürzte ich mich in jedes Workshop- und Ausbildungsabenteuer. Heilung pur für mich.
Aber mein Kopf wollte es unbedingt wissen. Es muss doch auch so wie bei den anderen gehen. Normal eben. Ehrenwertes Mitglied der Gesellschaft. Ich bewarb mich auf eine Stelle in einem Internat. Idyllisch gelegen, spannende Aufgabe, nettes Team. Ich bekam die Zusage. Ich antwortete mit einer Absage. Warum? Erst viele, verzweifelte Jahre später verstand ich den starken Widerstand, der mich von dieser Stelle und einigen anderen Lebenserfahrungen abhielt.
Neben der verinnerten Unzulänglichkeit durch zu viel Schmerz auf den ersten Metern meines Lebens, war mir der Widerstand immer auch Wegweiser: Nein, nicht da lang! Das ist nicht dein Weg! Nicht, dass ich es damals verstanden hätte. Deswegen siegte des öfteren der Kopf und Lehrgeld war zu zahlen.
Und heute? Heute reagiere ich etwas schneller auf das Gefühl meines inneren Widerstands. Aus zehn Runden schmerzhafter Wiederholungen sind inzwischen zwei oder drei geworden. Manchmal sogar nur eine. Dann bin ich stolz auf mich und danke meinem Widerstand, dass er so lange mit mir Sturkopp durchgehalten hat.
Cordula Roemer
Expertin für Hochsensibilität & Hochbegabung
Bild zur Meldung: KI generiert