Frieden durch Kampfkunst?
In vielen Teilen der Welt knallt und brennt es gerade buchstäblich. Das verunsichert. Auch in Deutschland sind wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Spannungen spürbar. Da stellt sich die Frage: Wie können wir all diesen Herausforderungen flexibel begegnen? Und welchen Beitrag können wir persönlich zum Frieden leisten?
Ich selbst bin dankbar für meine Erfahrungen mit der Kampfkunst Aikido. Dass gerade eine Kampfkunst ein Weg zum Frieden sein kann, klingt zunächst paradox. Doch alle Kampf-Künste (auch Budo genannt) beruhen auf einer Philosophie, die das Zusammenspiel von Aktion und Reaktion bewusst betrachtet. Wesentlich dabei ist die Fähigkeit, genau zu beobachten – sowohl nach außen: Mit welcher Energie begegnet mir die Umwelt? Als auch nach innen: Mit welcher Energie begegne ich der Umwelt?
Dieses bewusste Beobachten wurde für mich zu einer Wohltat. Ich spürte immer deutlicher, wie Energien aufeinandertreffen – und welche Möglichkeiten es gibt, darauf zu antworten. Ein zentrales Übungsfeld ist, Druck nicht mit Gegendruck, sondern mit Zug zu begegnen – und Zug nicht mit Gegenzug, sondern mit Druck.
Kommt mir jemand mit viel Druck entgegen, kann ich zurückweichen, die Wucht aufnehmen und umlenken. So entschleunigt sich die Dynamik, und es entsteht Raum, gemeinsam im Fluss zu bleiben. Umgekehrt: Wenn jemand zieht und ich ebenfalls zu ziehen beginne, entsteht ein Tauziehen, das unweigerlich zu einem „Verlieren“ führt.
Folge ich jedoch dem Zug und antworte mit Druck, kann daraus ein harmonischer Bewegungsfluss entstehen, in dem beide bereichert weitergehen.
Ähnlich verhält es sich, wenn mir jemand mit Schwung entgegentritt: Eine Wendung eröffnet uns die Möglichkeit, plötzlich nebeneinander in die gleiche Richtung zu blicken – und neue Sichtweisen einzunehmen.
Mit jeder Wiederholung eröffnet sich so ein Schatz an Handlungsmöglichkeiten. Ich lerne, flexibel zu reagieren und im Fluss zu bleiben – mit mir selbst und, wenn möglich, auch mit meinem Gegenüber.
Der Begriff „Ai-ki-do“ lässt sich u.a. übersetzen mit: „Der Weg zur Harmonisierung der Lebensenergie“. Diese Deutung gefällt mir besonders gut. Es geht darum, die Energie, die uns begegnet, in eine lebendige Dynamik zu verwandeln – und so das Resultat mitzugestalten.
Im Üben hat Aikido noch eine besondere Qualität: Erfahrene Praktizierende lernen ebenso von den Anfängern wie umgekehrt. Gerade die Unerfahrenen sind ein klarer Spiegel, an dem Feinheit und Klarheit weiterentwickelt werden können.
Angesichts der aktuellen Spannungen erscheint mir dieser Weg hoch relevant: Wir brauchen solche Schlüsselkompetenzen, um die polarisierten Energien in einen gemeinsamen Fluss zurückzuverwandeln – damit alle voneinander lernen und wir an Klarheit und Menschlichkeit gewinnen.
Bild zur Meldung: RDNE Stock Project auf pexels



















