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Von der Selbstverwertung zur Verbundenheit

Im letzten Beitrag ging es um die zerstörerische Kraft der Trennung - Separation als eine Illusion des Verstandes. Sie zeigt sich heute besonders in der Individualisierung: in der Idee, jeder müsse sein eigenes Leben, seine Karriere, sein Glück ganz allein “schmieden”.

 

Unser kapitalistisches Wirtschaftssystem treibt das auf die Spitze. Alles soll verwertbar, marktfähig, monetarisierbar sein. Schau, was du kannst, und mach daraus Kapital. Finde eine Nische, ein Bedürfnis, das sich noch nicht in ein Produkt verwandelt hat. Wenn du das nicht schaffst, gehörst du zu den Verlierern – so lautet die implizite Botschaft. Und niemand will verlieren. Also strengen wir uns an, funktionieren, optimieren.

 

Vom Mythos der Selbstverwertung zur Kultur der Verbundenheit

Doch der Preis ist hoch. Denn der Mensch ist kein isoliertes Einzelwesen. Wir leben von Verbindung, Resonanz und Vertrauen. Wir sind auf Kooperation, Fürsorge und Empathie ausgelegt – nicht auf Konkurrenz. Es ist ein Lebensprinzip, ja ein Überlebensprinzip: Jeder Organismus, der sich zu sehr von seiner Umwelt isoliert und seine Austauschbeziehungen minimiert, geht auf lange Sicht zugrunde. Leben heißt Austausch – auf biologischer, sozialer und seelischer Ebene.

 

Wenn dieses natürliche Miteinander aber verloren geht, entsteht eine Leerstelle. Und dieses Vakuum kann benutzt werden.
„Teile und herrsche“ war schon immer ein machtvolles Prinzip. Wer Menschen trennt, kann sie lenken. Heute geschieht das kaum subtiler nach altbewährtem Muster. Extremistische Strömungen gewinnen Kraft aus Feindbildern. Sie bieten Zugehörigkeit im Tausch gegen Verständnis und Mitgefühl. „Du bist für uns oder gegen uns.“ So entsteht eine Pseudo-Gemeinschaft, die auf Ab- und Ausgrenzung beruht. 

 

Je mehr Vereinzelung und Unsicherheit in einer Gesellschaft wachsen, desto stärker wird die Sehnsucht nach Gemeinschaft – und desto anfälliger werden wir für diese trügerischen Angebote. 

 

Der Aufstieg rechter Bewegungen zeigt das deutlich. Sie besetzen ein echtes Bedürfnis – das nach Zusammenhalt – mit einem nationalistisch-identitären Narrativ. 
Sie bewirtschaften Angst und Verunsicherung. Sie sprechen die Emotion an, während andere Parteien Programme und Konzepte präsentieren. Doch Angst lässt sich nicht mit Konzepten beruhigen. Menschen wollen sich sicher fühlen, gesehen und gehalten. Wenn Politik dieses Grundbedürfnis ignoriert, überlässt sie das emotionale Feld jenen, die es manipulativ bespielen. Und wie die Geschichte zeigt, führt ein übersteigerter Nationalismus regelmäßig in die Zerstörung - gemäß dem oben beschriebenen Lebensprinzip. Was also tun? 

 

Wie finden wir zurück zu echter Verbindung?

Vielleicht nicht durch politische Programme oder Konzepte, sondern durch eigene, kleine Schritte:

  • Wirklich zuhören. Interesse zeigen, auch wenn jemand anders denkt. Das kann Verbindung schaffen, wo sonst Abwehr ist.

  • Eigene Maßstäbe prüfen. Wirtschaftlicher Erfolg ist nicht der ultimative Beweis von Wert. Sinn entsteht erst dann, wenn unser Tun anderen gut tut, wenn dem Gemeinwohl gedient ist.

  • Kooperation statt Konkurrenz leben. Ob im Beruf, im Ehrenamt oder im Alltag – gemeinsam etwas entstehen zu lassen verbindet. In der Verbindung schaffen wir vieles, was wir alleine nicht schaffen.

  • Lokale Gemeinschaften stärken. Nachbarschaft, Projekte, Initiativen – dort, wo Menschen sich zusammentun, wird Trennung aufgehoben.

 

Vielleicht beginnt Wandel genau dort: im einfachen, stillen Entschluss, nicht länger mitzuspielen im Spiel der Trennung, sondern Verbundenheit bewusst zu leben.

 

Andreas Fiedler

 

Bild zur Meldung: Beth Macdonald auf Unsplash

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